Die Blunzen kommt auf vier Rädern
Gerhard Schlögl betreibt in zweiter Generation einen Fleischerbetrieb im Pittental. Seine selbst gefertigten Waren von Rind und Schwein bietet er jeden Freitag am Hauptplatz an. In der Gunst der Neustädter rangiert die Blutwurst ganz weit vorne.
Er fährt von Hof zu Hof, kauft den Bauern aus der Region ihre Tiere ab und verarbeitet alles selbst in Handarbeit.
„Schlögl, die rollende Landfleischerei“ steht auf dem 163 PS starken Verkaufsmobil mit Neunkirchener Kennzeichen. Wenn Gerhard Schlögl dieses am Freitag pünktlich um 8.30 Uhr vor dem Alten Rathaus parkt, hat sich dort meist schon eine Menschentraube gebildet. „Schneid mir bitte einen Käseleberkäse ab. Aber ein großes Stück, mindestens 30 Deka“, sagt der grauhaarige Mann mit Brille. „Gibt’s heute Grammeln?“, fragt die ältere Dame mit Hut. „Ich nehme zwei Portionen Krautfleisch“, erklärt der Herr im gelben Pullover, der ein gelbes Fahrrad neben sich stehen hat. „Das ist ja hier wie Weihnachten“, freut sich die Frau mit Kurzhaarschnitt, als sie das Angebot im rollenden Verkaufsladen überblickt. Sie bestellt einen Wurzelspeck für sich und eine Scheibe Krustenbraten für die Mutter. „Die Mama isst nicht mehr viel, aber der Krustenbraten schmeckt ihr.“
Gerhard Schlögl ist nun in seinem Element. Er berät, erklärt, verkauft. „Die Wiener Neustädter sind wirklich dankbar, dass ich komme“, sagt der 49-Jährige aus dem Pittental. „In ganz Wiener Neustadt gibt es ja keinen einzigen Fleischerladen mehr.“
Im Jahr 1964 baute Vater Franz in Scheiblingkirchen ein altes Kaufhaus zu einer Fleischerei um. Er fuhr von Hof zu Hof, kaufte den Bauern ihre Tiere ab und stellte daraus Wurst- und Fleischprodukte her. Nichts anderes macht auch sein Sohn Gerhard, der den Betrieb 2003 übernahm. „Ich kenne die Landwirte aus der Region, und ich kenne ihr Vieh.“ Das Fleisch von Rind und Schwein, das er verarbeitet, stammt aus dem Pittental, dem Wechselgebiet und aus der Buckligen Welt. In Gerhard Schlögls kleiner, feiner Fleischerei entstehen daraus in Handarbeit Köstlichkeiten wie Leberpastete, Haussulz (ohne künstlichen Aspik) und Blunzen.
Ja, die Blunzen, oft auch Blutwurst, Blunze oder Blunzn genannt und geschrieben, rangiert in der Beliebtheit seiner Kundinnen und Kunden ganz weit oben. „Für mich bitte ein Stück Blunzen“, sagt etwa der bärtige Mann mit Kapperl. „Die schenke ich meiner Schwester. Sie brät die Blunzen an – das schmeckt köstlich!“ Was nur wenige wissen: Die Wurst aus frischem Blut ist eine der ältesten Wurstsorten des europäischen Kulturraums und wird nachweislich schon seit der Antike produziert und genossen.
Eigentlich hatte Gerhard Schlögl als Jugendlicher Landwirt werden wollen. Die Entscheidung, in Papas Fußstapfen zu treten und eine Fleischerlehre zu absolvieren, hat er dennoch nie bereut. Seit 1993 fährt er mit dem Verkaufsmobil auf Märkte und in Orte, in denen es keinen Fleischer mehr gibt; seit 2008 auch nach Wiener Neustadt. Die meisten Kunden kennt er mittlerweile beim Namen. „Ich mag den Kontakt mit den Menschen“, sagt er. „Viele haben Fragen und wollen wissen, wie sie das Fleisch kochen können oder wie sie es lagern sollen.“ Am wichtigsten sei ihm aber die Wertschätzung gegenüber den Tieren. Diese werden schnell und schonend transportiert. „Bis auf Haut und Knochen wird alles sinnvoll verarbeitet, nichts wird weggeworfen.“
Zum Schluss geht es dann doch wieder um die Blunzen. Als Gerhard Schlögl zu Mittag schon am Zusammenpacken ist, eilt noch eine elegante Dame im dunklen Mantel herbei. „Für mich bitte noch ein Stück Blunzen“, sagt sie. Ob sie oft herkommt? „Nein. Leider nicht.“ Warum? „Wir müssen uns daheim leider alle sehr gesund ernähren, weil mein Sohn Leistungssportler ist. Nur Blunzen isst er – weil diese so viel Eisen enthalten soll.“ Also packt Gerhard Schlögl noch einmal ein Stück Blutwurst aus. Denn die Wünsche seiner Kundschaft sind ihm so gar nicht blunzen.