Die Königin der Kasematten

Große Geschichten in kleinen Geschichten

Anna Maria Krassnigg und ihr Festival "Europa in Szene" machen Wiener Neustadt zur Theaterstadt.

In Wiener Neustadt residieren wieder die Könige, aber das Zepter schwingt Anna Maria Krassnigg. Mit ihrer Theater wortwiege zog die Regisseurin erfolgreich in die Kasematten ein: mit Königsdramen und zeitgenössischen Werken.

Als der ungarische König Matthias Corvinus 1486 Wiener Neustadt erobern wollte, hatte er kein leichtes Spiel. 18 Monate lang leistete die Stadt dank ihrer massiven Festungsanlage Widerstand. Erst als die Lebensmittel knapp wurden, gaben sich die Belagerten geschlagen. Und es sollte drei Jahre dauern, ehe sie von Maximilian I. zurückerobert werden konnte. Die Festungsmauern, in denen man immer noch Spuren der Angriffe sieht, sind heute wieder Schauplatz europäischer Geschichte – allerdings auf der Theaterbühne. Zu verdanken ist das Anna Maria Krassnigg, die als künstlerische Leiterin der Kompanie wortwiege seit 2020 in den Kasematten geschichtsträchtige Stücke inszeniert.

Nina C. Gabriel spielt Danton

Das Theatermachen ist für Anna Maria Krassnigg nicht nur Beruf, sondern Berufung. Die 51-jährige Wienerin führt Regie, schreibt Texte, ist Schauspielerin, singt und ist Regie-Professorin am Max Reinhardt Seminar. Einen gemeinsamen Nenner haben ihre vielfältigen Betätigungsfelder: das Bauen von Brücken. Vergangenheit und Moderne sowie Literatur, Theater und Wissenschaft finden bei ihren Arbeiten ebenso zusammen wie das Stück und das Publikum. Die Theatermacherin vermittelt große Geschichte in kleinen Geschichten – sei es in Form historischer Stoffe oder literarischer Schätze. Und das am liebsten so unmittelbar wie möglich.

Nach dem Regie- und Schauspielstudium am Max Reinhardt Seminar inszenierte und schrieb sie zunächst für Theater im In- und Ausland. Ein vierjähriger Lessing-Zyklus am Staatstheater Braunschweig gehörte dazu ebenso wie der achtstündige Theatermarathon „Das große Heft” für das Zürcher Theater Spektakel und die Uraufführung von Daniel Kehlmanns „Ruhm” bei den Festspielen Reichenau. In Wien gründete Anna Maria Krassnigg 2008 das Theater Salon5, in dem sie – wie später im Thalhof in Reichenau an der Rax – in Vergessenheit geratener Literatur eine Bühne bot. Die Form der Inszenierungen folgt den Stoffen: von der szenischen Skizze bis zur opulenten, zeitgenössischen Klassikerinszenierung. Fokussierung auf den dramatischen Kern sowie Vertrauen in Sprache und darstellende Kunst sind bleibende Merkmale. Ebenso die Schaffung bildstarker Räume. Hierher kam die Theatermacherin 2019 auf Initiative des Bürgermeisters. Die Ausrichtung des Theaters in den Kasematten war schnell gefunden: „Diese Räume haben etwas Gewaltiges, aber auch etwas Intimes. Das kann man gut mit Mythen und historischen Stoffen verbinden. Dazu kommt noch die Geschichte Wiener Neustadts als Königsstadt. Da ist man sehr schnell bei der Königsdramatik”, zeichnet sie die Entstehung des Festivals Bloody Crown – Europa in Szene nach. „Die Königsmythen sind tatsächlich europäische Mythen. Es war von Anfang an klar, dass das Theater in den Kasematten auch ein europäisches Projekt ist, in dieser Stadt, die so nah an zwei Grenzen ist und die eine europäische Geschichte hat.”

Den Auftakt des ersten Bloody-Crown Festivals machte im März 2020 das Stück „König Johann”. Weitere Stücke, darunter die Uraufführung von Olga Flors „Die Königin ist tot” und die Diskussionsreihe „Salon Royal”, fielen dem ersten Lockdown zum Opfer. Dank der Unterstützung durch Wiener Neustadt und das Land Niederösterreich sowie des Engagements des Geschäfts- und Produktionsleiters Christian Mair konnte das Festival im Herbst fortgesetzt werden und wurde von Publikum wie Theaterkritik sehr gut angenommen. Nach einem weiteren Bloody-Crown-Festival 2021 werden die Kasematten nun 2022 erstmals über das ganze Jahr bespielt. Den Auftakt machte im Winter der Zyklus „Szene Österreich”, mit dem Anna Maria Krassnigg ihre Tradition fortsetzt, literarische Schätze wiederzuentdecken sowie Werke zeitgenössischer Autorinnen und Autoren, etwa von Theodora Bauer oder Erwin Riess, aufzuführen.

Die interdisziplinäre Diskussionsreihe „Salon Royal” war wieder Teil des Programms. Aufgrund des großen Erfolgs der Inszenierung von „Dantons Tod” (Bronze im Jahresranking der „Presse”) wird im April die Produktion an ausgewählten Terminen zu erleben sein. Im September folgt der Zyklus „Europa in Szene”. Dann werden in den Kasematten auch Brücken in die Zukunft gebaut. Absolventinnen und Absolventen der Regieklasse Anna Maria Krassniggs zeigen Regiearbeiten im Kontext „rise and fall of power” Analysen der Macht. „Der Neustart als Theaterstadt – gerade mit einem großen Festival – bietet auch eine Bühne für Karrierestarts.” Damit gelingt es Anna Maria Krassnigg auch bei ihrer Arbeit in Wiener Neustadt, nicht nur Geschichte(n) zu erzählen, sondern auch den Grundstein für neue große Geschichten zu legen.

Termine

DANTONS TOD

  • DONNERSTAG, 21.APRIL 2022
  • FREITAG, 22.APRIL 2022
  • MITTWOCH, 27.APRIL 2022
  • FREITAG, 29.APRIL 2022
  • SAMSTAG, 30.APRIL 2022

Jeweils um 19.30 Uhr Einführungsgespräche am 8. und 21.April 2022 um 18.30 Uhr.

 

EUROPA IN SZENE

14. SEPTEMBER BIS 16.OKTOBER 2022

Tickets gibt es HIER.