Am Ende ist alles Musik

Klassik oder Moderne? Eher Klassik und Moderne!

Dass beides zusammen alles andere als ein Widerspruch ist, lebt Klarinettist Christoph Zimper vor. Für seine Kompositionen geht er nicht nur mit offenen Augen und Ohren durch die Welt, sondern lässt sich auch von seiner Spiritualität leiten. In den Kasematten wird das im Herbst erlebbar.

Als MusikerIn sollte man sich nicht nur auf die Ohren, sondern auch auf das Bauchgefühl verlassen.

Was ein Schmetterling und ein Gefühl gemeinsam haben? Für die meisten nichts. Für Christoph Zimper hingegen viel. Beides kann ihn zu neuen Kompositionen inspirieren. Die allumfassende Verbundenheit mit der Musik begleitet den Wiener Neustädter bereits sein ganzes Leben. Sein bevorzugtes Ausdrucksmittel: die Klarinette – auch wenn er das Verhältnis zu ihr als durchaus turbulent beschreibt. „Die Liebe zur Klarinette fühlt sich an wie eine langjährige Ehe. Man geht gemeinsam durch Ups und Downs, man bekommt ab und zu den Spiegel vorgehalten – was meistens nicht angenehm ist –, man stellt sich infrage, bis man sich auf neue Art und Weise wieder kennen und lieben lernt.“ Der gemeinsame Weg begann für den 1986 Geborenen beim Musikunterricht in der Musikschule Markt Piesting, führte 2005 an das Conservatoire de Musique in Menton, Frankreich, und mündete im Studium des Konzertfachs Klarinette an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei Professor Johann Hindler. Schon damals war Christoph Zimper Mitglied der Akademie der Münchner Philharmoniker. Ab 2012 musizierte er als Soloklarinettist im Mozarteumorchester Salzburg. Er sollte es für sechs Jahre bleiben und auch für andere Orchester tätig sein, wie etwa die Wiener und die Münchner Philharmoniker und die Bayerische Staatsoper. Mehrfache Auszeichnungen und Stipendien untermauern den Ruf des Ausnahmetalents.

Eines zieht sich als roter Faden durch seine Karriere: die Verbindung verschiedener Musikstile und Genres. Dabei führt seine Begeisterung für andere Kulturen zu neuen Herangehensweisen an klassische Stücke. So trifft bei ihm Populärmusik auf Klassik oder auf bildende Kunst – etwa bei „Lost Skin“. Während ein Märchen mittels Instrumenten und Gesang erklingt, malt die Künstlerin Anna Vidyaykina die Szenen mit und in Sand. Einen besonderen Stellenwert hat für Christoph Zimper die Kammermusik, weil dabei für ihn „Individualität und kollektive Energie so wunderbar ausgewogen sind“. Seine Leidenschaft, das Klassische mit innovativen Konzertformaten neu zu denken, lebt der Musiker auch beim Weißensee Klassik Festival aus, das er 2015 mitbegründete und dessen künstlerischer Leiter er seither ist. 2017 wurde er von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien zum Professor für Klarinette berufen. Bereits in seinen ersten Jahren wurde er als Gastprofessor an die Royal Academy London und an das Rimski-Korsakow-Staatskonservatorium in St. Petersburg eingeladen. Seine Botschaft an den Nachwuchs: „Hör auf dein Bauchgefühl! Du weißt mehr, als du denkst.“ Auf ebendieses Bauchgefühl vertraute er, als er 2018 sein Engagement im Mozarteumorchester Salzburg aufgab, um zu einer eigenen musikalischen Sprache zu finden. Das Ergebnis, sein Debütalbum „The Millennials Mass“, erschien 2021 bei Col Legno Music. „Für die Generation der Millennials – der zwischen 1980 und 2000 Geborenen, der auch ich angehöre – bietet die Kirche meist keinen spirituellen Halt mehr, der so dringend gebraucht würde. Wir treiben umher in einem Meer an Möglichkeiten, in dem es bei all der Fülle schwierig ist, sich für irgendetwas zu entscheiden. Deshalb verharren wir gerne in Ohnmacht. Für genau diese suchenden jungen Menschen wurde die Millennials Mass geschrieben“, so der Komponist.

„All das in die Liturgie einer Messe zu verpacken, fand ich so reizvoll, schon weil das Wort ‚Messe‘ so stark polarisiert. Allein das Wort ist so unhip, dass es beinahe schon wieder hip ist. Doch fern aller Dogmen, Formen und Geschichten: Die Botschaft für sich betrachtet sowie deren Bedeutung für das eigene Leben – das hat durchaus Kraft.“ Mit Elementen aus Klassik, Jazz und Pop lässt sich seine Musik (komponiert für zehn InstrumentalistInnen) keinem Genre zuordnen. „Bei all den Eindrücken, die ständig auf mich hereinprasseln: Wie kann ich mich entscheiden, wenn es um meine eigene musikalische Sprache geht? Wenn doch alles, was ich erlebe und höre, ja bis zu einem gewissen Grad Teil von mir ist? Am Ende ist alles Musik.“

Die Klarinette

Die Klarinette ist ein zylinderförmiges Holzblasinstrument mit Klappen aus Metall. Sie besteht aus fünf Teilen: dem Mundstück mit einfachem Rohrblatt und der Klammer sowie weiters der Birne, dem Ober- und Unterstück und dem trichterförmigen Becher. Um einen Ton zu erzeugen, bläst der Musiker in das Instrument und drückt mit der Unterlippe auf das Rohrblatt. Ob ein Ton höher oder tiefer ausfällt, hängt davon ab, welche Löcher der Klarinette direkt mit den Fingern oder indirekt mechanisch verschlossen werden. Der Vorläufer der Klarinette ist das Chalumeau, das um 1700 von Johann Christoph Denner mit einer Zusatzklappe versehen wurde. Die moderne Klarinette wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von Iwan Müller entwickelt. Heute unterscheidet man im Allgemeinen zwei Mechaniken, die verschieden gegriffen und gespielt werden: das französische (Böhm­-)System mit 17 Klappen plus einer Brille mit zwei Ringen sowie das deutsche (Oehler-)System mit 22 Klappen plus Brille mit einem dritten Ring.