Der Duft der Weihnachtszeit
Die besten Rezepte stehen nicht in Kochbüchern oder Internetforen, sondern werden in der Familie weitergegeben. Wir haben zwei alteingesessene Konditoreien besucht, in denen in liebevoller Handarbeit nach überlieferten Rezepturen gebacken wird
Wenn es aus der Backstube ganz herrlich nach Zimt, getrockneten Früchten, Lebkuchenteig und Nüssen riecht; wenn Heinz Ferstl die Tische mit Zweigen aus dem nahen Föhrenwald dekoriert, die er zuvor mit Kugeln und Bändern geschmückt hat; und wenn Ronald Köller den efeubewachsenen Bogen im Gastgarten mit Lichterketten verziert und süße Kreationen an den Christbaum in der Auslage hängt; dann, ja dann weiß man: Weihnachten ist nicht mehr weit.
„Die Zeit zwischen Allerheiligen und Neujahr ist die arbeitsintensivste Zeit des Jahres“, erzählt Heinz Ferstl. Heinz Ferstl und Ronald Köller sind gelernte Konditoren und absolute Meister ihrer Profession. Beide führen in der Innenstadt von Wiener Neustadt in dritter Generation einen Familienbetrieb, und beide legen größten Wert auf handgemachte Produktion, handwerkliche Perfektion und Rohstoffe aus der Region. „Qualität ist unsere wichtigste Zutat“, meint Heinz Ferstl. „Die Vielfalt an hochwertigen Mehlspeisen zeichnet uns aus“, sagt Ronald Köller.
Ein kurzer Rückblick: Im Spätmittelalter spezialisierten sich einige Bäcker auf die Herstellung von feineren Backwaren mit Honig, Trockenfrüchten und Gewürzen. Diese bezeichnete man als Lebküchler, Lebküchner oder Lebzelter. Aus diesen entwickelten sich später die Zuckerbäcker und dann die Konditoren.
Der Begriff „Konditor“ kam im 17. Jahrhundert auf und leitete sich vom lateinischen conditor ab, was so viel wie „Würzer“ oder „Hersteller von schmackhaften Speisen“ bedeutet. Heute grenzt sich eine Konditorei von einer Bäckerei dadurch ab, dass in Ersterer keine Brotwaren produziert werden.
Ronald Köller, heute 56, übernahm – nach Stationen in Baden, Pörtschach und Zürich – die familiengeführte Café-Konditorei im Jahr 2005. Sein Großvater, Josef Köller, hatte den Betrieb einst gegründet und war 1958 an den jetzigen Standort in der Wiener Straße 48 übersiedelt. Im Zuge der Umgestaltung der Straße in eine Fußgängerzone im Jahr 1987 entstand auch ein großer Gastgarten, der vor allem im Sommer gerne genutzt wird. In den kühleren Monaten finden im Innenbereich, der einem traditionellen Wiener Kaffeehaus nachempfunden ist, 20 Gäste Platz. „Wir sind zwar eine kleine Konditorei, aber im ganzen Bezirk bekannt für klassisches Konditorhandwerk“, sagt Ronald Köller. Jetzt, im Herbst, haben Köller und seine neun Mitarbeiter an die 40 verschiedene Mehlspeisen im Sortiment. Vor allem Produkte aus Kastanien stehen nun hoch im Kurs: Kastanientorten, Kastanienschnitten, Kastanienrouladen oder Schokokastanien.
In den Wochen rund um Weihnachten entstehen in der hauseigenen Backstube zwölf Sorten Teebäckerei, etwa Vanillekipferl, Linzerstangerl oder Nussecken, aber auch Kekse mit originell anmutenden Namen wie Nero (gefüllte Schokoladenbusserl) oder Eisenbahner (Mürbteig mit Marzipan und Ribiselmarmelade). Großer Beliebtheit erfreuen sich auch die Lebkuchenstangen mit Powidlmarmelade und die hausgemachten Pralinen, die in weihnachtlicher Verpackung erhältlich sind.
Nur wenige Gassen entfernt, auf dem Hauptplatz Nr. 8, blickt die Café-Konditorei Ferstl auf eine 112-jährige Geschichte zurück. Als Karl Ferstl nach Wanderjahren durch die Schweiz und Luxemburg 1913 nach Wiener Neustadt zurückkehrte, fand er seinen ehemaligen Lehrbetrieb, die Konditorei Aulich, ohne Nachfolger vor. Sein früherer Lehrherr machte ihm das Angebot, den Betrieb zu übernehmen. Der junge Mann ließ sich nicht lange bitten und willigte ein. „In den kommenden Jahren entwickelte mein Großvater Rezepte, die wir noch heute in unveränderter Form im Sortiment führen“, erzählt Heinz Ferstl, 60. Aus dem Rezeptbuch des Opas stammen etwa das Kastanienkrapferl oder die Jubiläumstorte, bestehend aus acht dünnen Haselnussböden, die mit Vanillecreme gefüllt sind.
Karl Ferstl führte die Konditorei durch die Wirrnisse des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Ihm folgte 1963 sein Sohn, Karl Ferstl jun., er war damals jüngster Konditormeister Österreichs. Seit 2004 leitet Heinz Ferstl das Familienunternehmen in dritter Generation. Heute umfasst der Betrieb 24 Mitarbeiter; allein in der Backstube sind fünf Konditoren und drei Lehrlinge beschäftigt, die mehr als 5.000 Eier pro Monat verarbeiten. Diese kommen vom Eierhof Stocker aus Lanzenkirchen, der Honig stammt aus der Imkerei von Karl Ferstl aus Neudörfl und der Kaffee von einer familiengeführten Rösterei in Turin.
„Wir sind ein Betrieb mit langer Tradition, dennoch wollen wir unsere Gäste auch innovativ überraschen“, sagt Heinz Ferstl. Und so findet man neuerdings – zwischen Klassikern wie Mohnnudeln, Marillenknödeln und warmem Topfenstrudel – auch einen Heidelbeer-Cheesecake auf der Karte. Sobald der Advent ins Land zieht, drücken sich große und kleine Gäste sich die Nasen an den Glasvitrinen platt, in denen Christstollen, Lebkuchen und süße Kekse auf ihre Kundschaft warten. Hier duftet es nach frischen Haselnuss-Halbmonden, da nach Husarenkrapfen und dort nach Linzeraugen. In diesen Momenten glänzen nicht nur die Augen der Kinder.