Der große Sprung in die Moderne

Mit dem Bau des Posthofes und der Errichtung der k. u. k. Post- und Telegraphendirektion verfügte Wiener Neustadt Anfang des 20. Jahrhunderts über eine moderne Telekommunikationszentrale. Der Zweite Weltkrieg zerstörte jedoch den großstädtischen Bau.

Die Eröffnung des Posthofes am 8. Mai 1909 war ein großes lokales Ereignis, über das die „Wiener Neustädter Zeitung“ mehrere Seiten lang berichtete: „Bürgermeister Kammann wies darauf hin, dass bei der Erbauung des Gebäudes ziemliche Schwierigkeiten zu überwinden waren. Es sei aber trotzdem gelungen, ein Gebäude zu errichten, das nicht nur seinem Zwecke vollständig entspricht, sondern in allen seinen Teilen auf das modernste eingerichtet sei.“

Wiener Neustadt hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen gewaltigen Sprung in Sachen Technik und Modernität hingelegt. Daher setzte man auf den Ausbau der Stromerzeugung und des Stromnetzes. Eine weitere Notwendigkeit sah man in der Vernetzung der Telekommunikation, weshalb schon 1908 eine telefonische Kabelverbindung zwischen Wiener Neustadt und Wien aufgebaut wurde. „Die Räumlichkeiten des alten Post- und Telegraphenamtes waren zu klein geworden und entsprachen nicht mehr den modernen Bedürfnissen“, erzählt Sabine Schmitner-Laszakovits, Mitarbeiterin des Stadtarchivs.

Der frisch bestellte Oberpostverwalter suchte daher nach passenden neuen Unterkünften, fand aber kein geeignetes Gebäude. Bürgermeister Franz Kammann setzte sich deshalb für einen Neubau ein.

Im Rahmen eines ausgeschriebenen Wettbewerbs wurden dafür 27 Projekte eingereicht. Im November 1907 erteilte die Stadtgemeinde den Auftrag an das Architektenteam Siegfried Theiß und Hans Jaksch. Die beiden waren auch für den Bau der evangelischen Kirche in Wiener Neustadt verantwortlich. Im Februar 1908 begann die Demolierung von insgesamt fünf Häusern in der Wiener Straße 17, 19, 21 und 23 sowie am Pfarrplatz 10. Die Stadtgemeinde hatte die Gebäude gekauft, um ausreichend Platz für den neuen, 1.000 Quadratmeter großen Posthof zu schaffen. Sabine Schmitner-Laszakovits: „In der Bevölkerung gab es schon lange den Wunsch nach einer breiteren Zufahrt von der Wiener Straße zum Domplatz. Dieses Projekt konnte nun realisiert werden.“

Nach nur einjähriger Bauzeit wurde der neue Posthof 1909 fertiggestellt, die Kosten beliefen sich auf 700.000 Kronen (heute ca. 5,5 Mio. €). Das Ergebnis war eine großstädtische Anlage mit schlichter Fassade. „Der neue Posthof war ein Symbol der Moderne“, sagt Sabine Schmitner-Laszakovits. „Denn mit der k. u. k. Post- und Telegraphendirektion verfügte Wiener Neustadt nun über eine topmoderne Telekommunikationszentrale.“ Daneben bot das Gebäude im Erdgeschoß auch Platz für Geschäfte. In den oberen Stockwerken waren die k. u. k. Bezirkshauptmannschaft, das Gewerbeinspektorat, die k. u. k. Bezirksbauabteilung sowie Dienst- und Privatwohnungen untergebracht.

Sehr ausführlich beschrieb die „Wiener Neustädter Zeitung“ die Ausstattung des neuen Posthofes: „Von der Pfarrgasse führen drei Eingänge in das große säulengeschmückte Vestibül, links gelangt man zum Telegraphenamt und zur Telephon-Sprechstelle, rechts zu den Vorstandsräumen, geradeaus in den glasüberdeckten zentral angelegten Parteienraum. Die Gesamtanlage ist so durchgeführt, daß sowohl die Schalter als auch die Schreibtische bestes Licht erhalten.“

Im März 1945 erlitt der Posthof infolge des Zweiten Weltkrieges schwere Schäden. „Die Erleichterung darüber, dass der nahe Dom verschont blieb, war damals groß. Aber die Zerstörung des noch so jungen Posthofes schmerzte trotzdem“, berichtet Sabine Schmitner-Laszakovits. Nach dem Krieg wurde die Ruine des Posthofes abgetragen und ein neues Gebäude errichtet. Dieses beherbergte wieder Wohnungen und im Erdgeschoß Geschäftslokale, die Behörden zogen aber nicht mehr ein. Das Post- und Telegraphenamt Wiener Neustadt 1 befand sich fortan auf dem Domplatz Nr. 10, das Post- und Telegraphenamt 2 am Hauptbahnhof.