Die Frau, die sich was braut
Im Oktober 2023 bezog Simone Pichler mit ihrer Mikrobrauerei namens Hopf’n G’stopfte einen Stand auf dem Marienmarkt. Dort kreiert sie angesagte Biere, aber auch ausgefallene Sorten wie Kürbis- oder Lebkuchenbier.
Simone Pichler ist das, was man ein Gastronomie-Urgestein nennt: Seit ihrem 18. Lebensjahr ist die heute 47-Jährige in der Wiener Neustädter Lokalszene tätig. Anfangs jobbte sie als Kellnerin in mehreren Cafés, ehe sie 2008 ihr eigenes Lokal in der Altstadt übernahm – das Siegl’s Pub, eine Gaststätte mit historischem Gewölbe und großem Biergarten.
Im Jahr 2020 kam mit der Pandemie die große Zäsur: Simone Pichler nutzte diese unfreiwillige Auszeit auf ihre Art. „Mir war damals extrem langweilig“, erzählt sie, „also habe ich eine Ausbildung zur Biersommelière absolviert.“ Aufgrund der Situation fanden alle Kurse online statt, die zu verkostenden Bierproben bekam sie per Post zugeschickt. „Die Unterlagen waren voll mit Fremdwörtern: Vieles von den beschriebenen Abläufen beim Brauen habe ich einfach nicht verstanden“, erinnert sie sich.
Also machte sie sich daran, daheim ihr eigenes Bier im Kochtopf zu erschaffen. Immer tiefer tauchte sie in den Prozess des Bierbrauens ein. Angespornt und angetrieben von Freunden und Bekannten wurde aus dem Hobby bald eine Profession. Und so bezog sie im Oktober 2023 einen leerstehenden Marktstand auf dem Marienplatz, um hier fortan unter dem Namen Hopf’n G’stopfte und unter den Augen interessierter Passanten Bier zu brauen.
Die ersten Bierbrauer der Menschheit waren vermutlich die Sumerer. Sie besiedelten vor rund 6.000 Jahren ein Gebiet im südlichen Mesopotamien, dem heutigen Irak. Wahrscheinlich eher durch Zufall entdeckten die Sumerer die Methode, aus vergorenem Brotteig eine pappige, klebrige Masse mit berauschender Wirkung herzustellen: den Vorläufer des heutigen Bieres.
Zurück zu Simone Pichler und ihrer Mikrobrauerei auf dem Marienplatz: Herzstück ihres nur 20 Quadratmeter großen Marktstandes ist der 140-Liter-Kochkessel. Acht Stunden lang dauert der reine Brauprozess; bis das Bier reif ist, vergehen aber noch einmal vier bis zwölf Wochen. Gebraut werden verschiedene Biersorten, etwa Pale Ale (ein besonders helles Bier), Zwickl (ein ungefiltertes, naturtrübes Bier) oder Stout (ein kräftiges, tiefdunkles, meist obergäriges Bier). Doch das reicht der umtriebigen Gastronomin nicht. „Ich möchte Neues ausprobieren und mich kreativ austoben“, sagt sie. Und so wird in der Mikrobrauerei auch Kürbisbier, Earl-Grey-Bier oder zu Weihnachten ein Lebkuchenbier hergestellt.
Im Frühjahr 2024 kürte das Kulinarik-Magazin „Falstaff“ die Brauerei Hopf’n G’stopfte zur „beliebtesten Mikrobrauerei in Niederösterreich“ – und das nur ein halbes Jahr nach der Eröffnung. „Ich stecke meine ganze Liebe in meine Biere“, sagt Simone Pichler. „Und meine Gäste sagen, dass man das auch schmeckt.“
In früheren Zeiten war Bierbrauen reine Frauensache. Da gehörte das Sieden des Bieres, wie das Backen, zu den Haushaltstätigkeiten. Erst im Mittelalter wurde Brauen zum Beruf. Besonders die Mönche erwiesen sich dank ihres Wissens als besonders begabte Brauer. Das Bier half ihnen auch, über die lange Fastenzeit hinwegzukommen. Zudem bekam jeder Reisende am Klostertor als Wegzehrung ein frisches Bier. Eine Aufgabe, die nun Simone Pichler innehat: Direkt am Stand und im angrenzenden Lokal Siegl’s am Markt kann der durstige Gast das Selbstgebraute genießen – oder es in Flaschen abgefüllt mit nach Hause nehmen. Prost!