Ein Abend in Schottland
Ihre Arbeitskleidung ist der Kilt: Maria und Andreas Lechner schenken in Mary’s Pub Bier und Whisky aus und servieren das schottische Nationalgericht Haggis, gefüllten Schafsmagen.
Aller Anfang ist schwer, heißt es oft. Im Fall von Mary’s Pub war er besonders schwierig. „Niemand hat uns eine Chance gegeben. Man hat sogar darauf gewettet, wie viele Monate wir wohl durchhalten werden“, erinnert sich Maria Lechner, 55. Tatsächlich hatten beide keine Erfahrung in der Gastronomie. „Und man hat unser Konzept aus Essen, Trinken und Musikveranstaltungen für nicht umsetzbar gehalten.“
Rückblende. Da war eine Leidenschaft für schottische Kilts und Dudelsäcke, die Andreas Lechner, 61, ein ausgebildeter Leibwächter, von seinen beruflichen Aufträgen auf den Britischen Inseln mitnahm. Eine Leidenschaft, die so groß war, dass Andreas und Maria im Jahr 2009 sogar schottisch heirateten. Zwar nicht in Schottland, sondern in Katzelsdorf, aber im Kilt. Selbst der Herr Pfarrer trug damals einen knielangen Rock. Da war eine Faszination für die Kultur und die jahrhundertealte Geschichte der Pubs. Pubs (eine Kurzform für „Public Houses“, öffentliche Häuser) waren früher eine Art Wohnzimmerersatz. Sie entwickelten sich oft tatsächlich aus Wohnzimmern von Dorfbewohnern, die Bier und Schnaps für die Nachbarn ausschenkten.
Und da war eine Idee. Jedes Mal, wenn Andreas Lechner von einer seiner Reisen heimkehrte, sagte er: „Irgendwann eröffnen wir unser eigenes schottisches Pub.“ Und dann war da die Chance. 2012 stand ein Lokal in der Langen Gasse zur Übernahme. In ihrem Job als Kindergärtnerin war Maria Lechner ohnehin nicht mehr glücklich. „Also haben wir einfach zugeschlagen.“ Am 1. November 2012 wurde nach einigen Umbauten unter dem neuen Namen Mary’s Pub Eröffnung gefeiert.
„Das Lokal war zuvor ein Jugendlokal“, erinnern sich die beiden. Sie aber wollten daraus ein Erwachsenenlokal machen; eines, in dem man essen, trinken, sich unterhalten und Musik hören kann. „Eigentlich ein Lokal für uns und Gäste unseres Alters.“
Heute, zwölf Jahre später, steht fest: Die beiden haben es geschafft. Mary’s Pub ist ein fixer Bestandteil der Wiener Neustädter Lokalszene geworden. „Weil wir authentisch sind und viel dazugelernt haben.“ Schon bald wurde etwa klar, dass das Geschäft am Vormittag nicht rentabel ist. Seitdem sperrt Mary’s Pub täglich um 16 Uhr auf. Und das seit 2016 an einer neuen Location. Denn nach einem Wasserrohrbruch kam es im November 2016 zur Übersiedlung in die Bahngasse Nr. 7 – in ein Gebäude aus dem 14. Jahrhundert, in dem sich einst ein Frauenkloster befand. Das Ambiente: uriges Mobiliar aus dunklem Holz, knarrender Dielenboden und gemütlich-überladene Dekoration. An den Wänden hängen Wappen schottischer Clans und Bilder von irischen Brauereien, dazwischen stehen leere Whiskyschachteln und unzählige alte Lampen. Als Sitzmöglichkeit dienen Bänke und ein Beichtstuhl aus einer irischen Kirche.
Neben den beiden Räumen im Erdgeschoß verfügt das Lokal auch über zwei Kellersäle, in denen regelmäßig Ritteressen samt Spanferkel und Stelzen stattfinden. Im Gastgarten wiederum landet im Sommer jeden Mittwoch Wild oder Ochse auf dem Holzkohlengrill. Und einmal im Monat lädt das Pub am Sonntag zum Brunch. Apropos Essen: Hausherr Andreas steht sechs Tage in der Woche in der Küche und bereitet schottische und irische Gerichte zu.
Auf der Speisekarte findet der Gast Bekanntes wie Fish & Chips, Pikantes wie Bangers & Mash (Würstel mit Erdäpfelstampf) und Ausgefallenes wie das traditionell-legendenäre Haggis (mit Innereien gefüllter Schafsmagen). An der Bar schenkt Maria neun offene Biere und achtzehn Sorten Flaschenbier aus. Freunde des Whiskys können unter sechzig verschiedenen Sorten wählen. Dazu gibt’s regelmäßig Live-Musik zu hören, es treten vor allem regionale Bands auf.
Und so resümieren die beiden Schottland-Begeisterten nach zwölf Jahren in der Gastronomie: „Uns ist die Luft nicht ausgegangen. Und wir haben für die Zukunft noch viele Ideen!“