Die große Erleuchtung
Eine Christkindl-Seife, ein kleiner Schneemann aus Zinn und die Vorfreude im Herzen. Auf den Adventmärkten von Wiener Neustadt wird eine atmosphärisch einmalige Standl-Kultur gepflegt – zwei Geschichten zur Handarbeit.
Die Glitzerwelt der Vorweihnachtszeit. In Wiener Neustadt wird es energiebewusst erst ab 8. Dezember auf den Märkten funkeln und leuchten.
In den Werkstätten bahnt sich der Adventzauber an.
Alle Zeichen stehen auf Weihnachten. Nirgends wird das so deutlich wie auf einem Adventmarkt: Man riecht es vor den Glühweinständen, man sieht es in den glitzernden Lichtern, und man spürt es im Herzen. In den Werkstätten, Kellern und Küchen sämtlicher Standlerinnen und Standler in und um Wiener Neustadt herrscht längst rege Betriebsamkeit, um die Adventmarktbesucherinnen und -besucher bald wieder mit der Leidenschaft für ihre Produkte anstecken zu können. Die meisten von ihnen haben mit der Produktion dafür sogar schon begonnen, als das letzte Weihnachten noch näher war als das kommende und statt Adventzauber noch der Geruch von Sonnencreme in der Luft hing. Auch Christina Scheicher.
Immerhin muss ihre Seife sechs Wochen lang trocknen, und da ist die Zeit, die sie für das Sieden, Verzieren und Verpacken braucht, noch nicht miteinberechnet. Und das alles neben dem normalen Sommer-Betrieb. Wie viele Stunden sie in der Woche mit der Seifenproduktion beschäftigt ist, will die 50-Jährige lieber nicht schätzen. „Vieles von meiner Arbeit ist eine einsame Geschichte. Ich stehe im Keller, sitze am Computer oder mache Buchhaltung – und dann fahre ich auf einen Markt und erlebe die komplett andere Seite. Da bekommt man wieder so viel zurück.“
Deshalb hat sich Christina auch bewusst für das Standl-Leben entschieden. Extrovertiert zu sein, mit Bekannten zu plaudern und sich mit Fremden auszutauschen hat ihr in den letzten Jahren sehr gefehlt. Nicht zuletzt aus diesen Gründen hat sie sich im März letzten Jahres entschieden, ihr Hobby nach sieben Jahren Erfahrung zum Beruf zu machen und mit ihren Seifen das Gewerbe „seifen2700“ anzumelden. Produziert wird im Keller ihres Familienhauses, der himmlisch duftet.
Privates und Berufliches zu trennen ist hier kaum möglich. Das hat aber auch seine Vorteile, etwa wenn sie einen Kanister Kokosfett schmelzen muss: „Der steht dann halt einen Tag lang in der Badewanne.“ Obwohl Christina sehr erfinderisch ist, gibt es für einige Arbeitswege keine Abkürzungen. Zum Beispiel bei der aufwendigen weiß-goldenen Christkindl-Seife, die sie extra für die Weihnachtszeit anfertigt. Den Seifenteig für den Stern in der Mitte muss sie mit der Hand aufkneten. Allein das dauert einen ganzen Tag. Den Tag darauf muss sie ihre vor Blutergüssen blau angelaufenen Hände schonen – all das für nur ein kleines Detail einer einzigen Seifensorte. Insgesamt siedet, schneidet und verpackt Christina für den Adventmarkt heuer vierzehn Standardsorten und zwei Weihnachtseditionen ihrer Naturseife. Sie alle sind als Hand- und Körperseifen geeignet, die meisten außerdem noch zum Haarewaschen.
Wie viel Stück sie in ihr Hütterl am Domplatz von Wiener Neustadt mitnehmen und in den hübschen Kisten und Glasstürzen ausstellen wird, weiß sie noch nicht. Da sie erstmals dort verkauft, plant sie bei der Vorproduktion in den blauen Himmel hinein: „Wenn nichts mehr da ist, dann ist das ja auch schön. Und wenn alles übrig bleibt, dann wasche ich mich ein Jahr lang mit Weihnachtsseife.“ Fest steht für sie allerdings, dass sie sich auf eine tolle Atmosphäre freuen kann, selbst wenn sie die Kälte etwas scheut. Aber dagegen hat sie sich ja elektrisch beheizbare Socken besorgt.
Auf den Markt nehmen wir an die tausend Zinnfiguren mit.
Ein paar Hütterln neben jenem, in dem Christina hoffentlich mit warmen Zehen steht, tut sich auf derselben Verkaufsfläche eine ganz andere Welt auf. Oder besser gesagt, mehrere Welten: Mit den flachen, kleinen, jedoch erstaunlich detaillierten Zinnfiguren werden in der Zinnfigurenwelt Katzelsdorf ganze Märchen erzählt und sogar Schlachten nachgestellt. Hier am Domplatz erzählen sie vor allem eine Geschichte: die des kleinen Kindes, das in Windeln gewickelt im Stall liegt.
Neben Krippen findet man in der Auslage und auf dem kleinen Christbaum aber auch viele einzelne Figuren, manche silbern schimmernd, manche bunt bemalt: Gefüllte Stiefel, Weihnachtsmänner, die Orgel spielen, und Bären, die Ski fahren, sind nur drei von rund 150 Weihnachtsmotiven, die der Museumsleiter Franz Rieder mit einem Kollegen in der hauseigenen Werkstatt gießt. Das Geschick selbst wird seit mehr als 200 Jahren von Handwerker zu Handwerker weitergegeben und hat sich in der Zeit kaum verändert. Lediglich die Zielgruppe hat sich verschoben: Früher wurden Zinnfiguren vor allem für Kinder als Spielzeug und für den Unterricht produziert, heute sind sie beliebte Sammler- und Dekostücke.
Auch Franz ist in erster Linie Sammler. Im zweitgrößten Zinnfigurenmuseum der Welt, das er vor fast 20 Jahren mitbegründet hat, sind rund 40.000 Figuren ausgestellt und weitere 400.000 deponiert, die meisten davon nur ein paar Zentimeter groß. Viele davon sind historische Raritäten und deshalb äußert wertvoll. In den Lager- und Produktionsräumen hinter dem Ausstellungsbereich sind die hohen Wände bis zur Decke mit Kästen vollgestellt, jeder davon voll mit Figuren. Die, die Franz und sein Kollege selbst gegossen haben, machen zwar nur ein paar Schubladen davon aus, dahinter steckt jedoch jede Menge Arbeit. „So viel wie jetzt habe ich mein ganzes Leben noch nicht gearbeitet“, sagt Franz.
Wir beginnen zu Weihnachten mit der Produktion für das nächste Weihnachten. Auf den Adventmarkt nehmen wir immerhin an die tausend Figuren mit. Platz brauchen sie ja nicht viel.“ Auf kleinstem Raum zeigen die Standler auch dieses Jahr wieder das Ergebnis unzähliger Stunden Arbeit.
Los geht’s am ersten Adventwochenende mit dem stimmungsvollen Advent im Stadtpark von „Mary’s Pub“. Am zweiten Wochenende kann man auf dem Domplatz bis in die Abendstunden hinein Handwerk, Kulinarik und Kultur erleben, am dritten und vierten Wochenende wird die Vorfreude auch in der Beethovenallee und im Bürgermeistergarten spürbar. Und dann ist auch schon das lang ersehnte Weihnachtsfest da – wobei man es bei dem Adventprogramm vielleicht sogar ausgehalten hätte, noch eine Woche länger zu warten.