Zwischen Saunasalz und Schachtelhalm

Seit drei Generationen betreibt die Familie Linshalm in der Herzog-Leopold-Straße 8 eine kleine Drogerie. Ein Besuch gleicht einer Reise in einen alten Kaufmannsladen, der vieles hat, was es sonst nicht mehr gibt.

»OB SEIFE ODER PUTZMITTEL – NEUERDINGS HABEN DIE MENSCHEN DIE FREUDE AM SELBERMACHEN WIEDERENTDECKT.«

Sobald das grüne Eingangstor schwer ins Schloss fällt, fühlt man sich in eine andere Zeit zurückversetzt. In den alten Regalen und den feinen Apothekenschliffgläsern hält Andrea Emhart ein wundersames Warenpotpourri bereit. Von Kerzen, Seifen und Reinigern, Bürsten und Besen bis hin zu Kräutern und Chemikalien erhält man hier alles. So wundert es nicht, dass ein intensives Geruchswirrwarr in der Luft der kleinen Drogerie liegt. „Es riecht jeden Tag anders, je nachdem, was wir gerade frisch geliefert bekommen.“

Andrea Emhart ist gelernte Drogistin und übernahm vor sechzehn Jahren den Familienbetrieb von ihren Eltern. „Die Arbeit hat mich schon als Kind fasziniert“, erzählt die 48-Jährige, „man kann auf die Wünsche jedes Kunden ganz individuell eingehen.“ Ihr Großvater, Rudolf Linshalm, erwarb die Drogerie kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Da er bald danach einrücken musste, stand Andrea Emharts Oma fortan alleine im Geschäft. Nach dem Krieg verstand es Opa Rudolf Linshalm geschickt, traditionelle Seifen in Handarbeit herzustellen. Mit viel Erfahrung und Gespür verseifte er Öle zu einer dicken Masse. Ätherische Öle und Salz gaben der Mischung ihre Wirkung. Jetzt konnte die Seife in eine Form gegossen werden, in der sie rastete, bevor sie zugeschnitten wurde. „Das Geschäft lief gut, denn nach dem Krieg war Seife ein begehrtes Produkt“, sagt Enkelin Andrea Emhart.

Seitdem sind viele Jahrzehnte ins Land gezogen. Andere Geschäfte kamen und gingen. Die Drogerie Linshalm ist geblieben. Da sie die Letzte ihrer Art ist und zu einer Institution wurde, kommen die Kundinnen und Kunden oft von weit her; vom Schulkind bis zum Neunzigjährigen. Da sucht ein älterer Mann Linderung für seine Hühneraugen; da benötigt eine junge Frau Saunaöl und Saunasalz; da fragt ein Hobbygärtner nach einem natürlichen Mittel gegen unliebsame Schädlinge. „Schachtelhalm“, sagt Andrea Emhart, „Schachtelhalm, auch Zinnkraut genannt, stärkt die Abwehrkraft der Pflanzen und wirkt gegen Blattläuse und Mehltau.“ Neuerdings, berichtet die Drogeriebesitzerin, hätten die Menschen wieder die Freude am Selbermachen entdeckt. „Seit Corona möchten viele Leute daheim Seife, Putzmittel und Geschirrspülmittel selbst herstellen. Bei uns bekommen sie die natürlichen Hausmittel dafür.“

Am hinteren Ende des Geschäfts hat Catherine Brenner, die seit fünfzehn Jahren in der Drogerie aushilft, in einer Nische ihre kleine „Hexenküche“ ein- gerichtet. So nennt sie ihren Arbeitsplatz jedenfalls. Wobei von Hexerei natürlich keine Rede sein kann, vielmehr greift die 36-Jährige auf den reichen Schatz und das umfassende Wissen von Opa Rudolf Linshalm zurück. Seine geheimen Rezepturen hat er in dicken Mappen handgeschrieben überliefert, so sind sie der Drogerie erhalten geblieben. Auch heute noch werden sie nach seiner Anleitung unverändert in Handarbeit umgesetzt. Ob Baldrian oder Brennnessel, Hopfen oder Hirtentäschel – 300 Heilpflanzen und Kräuter sollen es insgesamt sein, aus denen Catherine Brenner duftende Salben und Tinkturen herstellen kann.

„Wenn es gut riecht, ist das schon die halbe Wirkung“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Man lernt viel bei einem Besuch in der Drogerie Linshalm: Dass der einjährige Beifuß das Immunsystem stärkt und selbst bei Krebs und Malaria helfen soll; dass drei Wochen lang ziehen gelassenes Rosenwasser sowohl zur Gesichtsreinigung als auch zum Keksebacken, zur Körperpflege und als Raumduft verwendet werden kann; dass Rizinusöl einst als Abführmittel diente und heute die Wimpern von Damen jeglichen Alters wieder zum Glänzen bringt; und dass man Harnstoff bei trockener und rissiger Haut verwendet, Meerschaumstaub bei lästigen Fettflecken und Wasserstoffperoxyd bei schmerzhaften Fisteln im Mund. Und wenn dann die grüne Geschäftstür in der Herzog-Leopold-Straße 8 wieder schwer ins Schloss fällt und man hinaus auf die helle Straße tritt, dann verlässt man die Drogerie auch mit einer Hoffnung: dass ein Juwel wie dieses noch möglichst lange erhalten bleibe.