Wohl behütet: Von Melone, Barett und Zylinder
Wer eine Kopfbedeckung sucht, wird im Hutfachgeschäft von Cornelia Fuchs in der Neunkirchner Straße 9 bestimmt fündig. Bei einem Besuch in dem alteingesessenen Betrieb macht man auch Bekanntschaft mit Humphrey Bogart und Indiana Jones.
Wir schreiben das Jahr 1883. In Indonesien sprengt ein gigantischer Vulkanausbruch die Insel Krakatau in die Luft; der Donnerhall ist auf einem Drittel der Erde zu hören. In New York wird die Brooklyn Bridge eröffnet, und in Paris fährt der erste Orient-Express in Richtung Konstantinopel, wie man Istanbul damals noch oft zu nennen pflegte. Und in Wiener Neustadt? Da eröffnet ein Herr Lebner ein Geschäft für Herrenhüte.
Damals keine große Sache, Herr Lebner war schließlich einer von insgesamt vierzehn Hutmachern in Neustadt. Heute, mehr als 140 Jahre später, ist dieser Betrieb das letzte und somit einzige Hutfachgeschäft in der Stadt. An den einstigen Besitzer erinnert nur der Name. „Hüte Lebner“ prangt noch immer in grünen Lettern über dem Geschäft. 1968 erwarb Ernst Kübl das Geschäft von der Tochter des Gründers. Seit 2002 ist Kübls Tochter Cornelia Fuchs die Eigentümerin des alteingesessenen Betriebs. „Mein Vater hat immer gesagt, man ändert keinen Firmennamen. Das bringt Unglück“, erklärt die 55-Jährige. Gerne erinnert sie sich an frühere Zeiten, als sie am Samstag nach der Schule in den Zug nach Wiener Neustadt stieg. „Die anderen Schülerinnen sind ins Kino gegangen, ich habe im Hutgeschäft ausgeholfen. Weil es mir so einen Spaß gemacht hat!“ Da lag es nur nahe, dass sie später die Meisterprüfung im Modistengewerbe ablegte.
Auf knapp 30 Quadratmeter Verkaufsfläche und in fünf Lagen stapeln sich bei ihr im Geschäft Hüte, Hauben und Kappen in allen Farben und Formen. Wie viele es wohl insgesamt sind? „Ich will es gar nicht wissen“, sagt Cornelia Fuchs lachend. „Es werden wohl ein paar tausend sein.“ Ganz oben bewahrt sie klassische Herrenhüte in unterschiedlicher Fasson auf. Wer an einen Hut denkt, hat meist unweigerlich einen vor Augen – den Bogart-Hut.
Diesen breitrandigen Herrenhut mit elegant geschwungener Krempe sieht man in beinahe jedem Gangsterfilm. Schauspieler Humphrey Bogart gab dem Hut seinen Namen, seit er ihn im Film „Casablanca“ trug. Gleich neben dem Bogart-Hut hat Cornelia Fuchs einen weiteren Klassiker aus der Welt des Films drapiert, den Indiana-Jones-Hut. Harrison Ford alias Indiana Jones bedeckte seinen Kopf in bislang fünf Kinofilmen mit einem Fedora-Hut aus Zobel, mit hoher Krone und breiter Krempe – und riskierte manchmal sein eigenes Leben, um ihn zu behalten. Fans der Netflix-Serie „Peaky Blinders“ greifen wiederum gerne zu der sogenannten Flat Cap oder Flachkappe. „Die ist im Moment sehr trendig“, erklärt Cornelia Fuchs. Überhaupt sei die Hutmode schnelllebig und habe im Laufe der Jahrhunderte ständig neue Trends mit sich gebracht: Ob Melone oder Matrosenhut, Zylinder oder Strohhut, Baskenmütze oder Baseballcap – für einen Mann war es bis in die 1950er-Jahre undenkbar, ohne Kopfbedeckung aus dem Haus zu gehen. Cornelia Fuchs: „Die Art der Kopfbedeckung war auch ein Zeichen dafür, welchem gesellschaftlichen Stand man angehörte. Die Oberschicht trug einen Hut, die Arbeiterklasse eine Kappe.“
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Hutmode rustikal: Männer wie Frauen trugen nun regionale Trachtenmode. Und natürlich hat Cornelia Fuchs auch traditionelle Trachten- und Jagdhüte in ihrem Sortiment. Ein klassischer Ausseer Hut kostet schon einmal 150 Euro. „Ich verkaufe keine billigen Hüte. Made in China gibt es bei mir nicht“, versichert sie. In der warmen Jahreszeit ist der Panama-Hut ein Renner, der – anders, als es sein Name vermuten lassen würde – eigentlich aus Ecuador stammt. Er wird aus handverwebtem Palmstroh gefertigt und bietet einen hohen UV-Schutz.
Auf der anderen, der linken Seite ihres Geschäftsraums hat Cornelia Fuchs Kopfbedeckungen für Damen ausgestellt; hier ein Barett, da eine Pullmankappe, dort ein eleganter Hochzeitshut. „Filzhüte und Strohhüte nähe ich auf Bestellung auch selbst“, sagt die Sprössin einer Hutmacherdynastie in fünfter Generation. Zum Schluss präsentiert die Chefin noch ein ganz besonderes Stück aus ihrem Fundus: den Wiener Neustädter Altstadthut. Diesen Wollhut entwarf Cornelia Fuchs im Zuge der Landesausstellung im Jahr 2019. „Mit dem Hut zeigt der Träger die Verbundenheit zu seiner Heimatstadt und dass er ein stolzer Wiener Neustädter ist.“