Alle einsteigen zur Zeitreise
Für Kinder ist der Begriff Zukunft schwer fassbar, weil sie so im Moment leben. Doch die Mitmach-Ausstellung „Was wird morgen sein?“ im Museum St. Peter an der Sperr bietet Mädchen und Buben von sechs bis zwölf einen spannenden und spielerischen Blick durch das Zeit-Fernrohr.
„Mama, da geht’s nicht weiter“, sagt der kleine Tobias und zieht ein entzückendes Schnoferl, als er aus dem Gang zurückkommt, der sich als Sackgasse entpuppt hat. Die sechsjährige Miriam hingegen erklimmt schon zum vierten Mal den mit Kletterknöpfen gespickten Anstieg, um auf der anderen Seite mit einem quietschvergnügten „Hui!“ wieder hinunterzurutschen. Und Stefan, der noch ein wenig tapsig auf den Beinen ist, wurschtelt sich gerade durch ein Labyrinth aus Gummiseilen zum auf der anderen Seite wartenden Papa.
Was wie eine Momentaufnahme von einem Abenteuer-Spielplatz rüberkommt, ist in Wahrheit Teil der Mitmach-Ausstellung „Was wird morgen sein?“ im Museum St. Peter an der Sperr in Wiener Neustadt, die noch bis 20. Juli Familien, Schulen und Institutionen einen sehr speziellen Zugang zur Welt in der Zukunft bietet. Einen spielerischen zwar, der der Zielgruppe Kinder von sechs bis zwölf Jahren angepasst ist, aber auch einen, der den nötigen Tiefgang mitbringt.
Die Gänge, die Tobias, Miriam und Stefan mit wechselndem Erfolg und mit dem ganzen Gefühlsspektrum von Enttäuschung bis Begeisterung durchschritten, durchgeklettert und durchgerutscht haben, symbolisieren die Wege, die das Leben in der Zukunft für die Kids bereithält. Da geht es bergauf und bergab, da gilt es, Fallstricke zu überwinden – und manchmal steht man an, muss umdrehen und einen neuen Weg (ver-)suchen. „Uns ist es wichtig, Kindern und Jugendlichen zu zeigen, dass Museen keine mystischen, heiligen Hallen sind, in denen man keinen Spaß haben kann“, sagt Museumsleiterin Julia Schlager und ergänzt: „Die Mitmach-Ausstellungen sind eine gute Möglichkeit, Inhalte spielerisch zu entdecken, ganz viel auszuprobieren und sich viele Dinge selbst zu erarbeiten, ohne das wirklich als Arbeit wahrzunehmen.“
Die aktuelle Ausstellung ist bereits die dritte in Zusammenarbeit mit dem ZOOM Kindermuseum in Wien, das auch die Idee zu „Was wird morgen sein?“ entwickelt hat. Sie versucht, Natur, Technik, Kunst und Wissenschaft in einem unterhaltsamen, kindergerechten und lehrreichen Potpourri zusammenzufassen: „Für Kinder ist Zukunft ja relativ schwer fassbar, und auch deshalb ist es uns wichtig, dass wir keine dystopischen Horrorszenarien vermitteln, sondern Kreativität und Fantasie befördern, damit die jungen Menschen beim Rausgehen eine positive Einstellung haben“, beschreibt Julia Schlager die Intention der Mitmach-Ausstellung.
Entsprechend vielschichtig ist sie auch angelegt. Zum Start sieht man sich in einer Art Mini-Planetarium die Erde aus der Vogelperspektive an und kann sich von der Sahara bis zum Großglockner oder den Pyramiden von Gizeh an verschiedene Punkte zoomen, um dann Detailansichten auf einem Bildschirm zu bekommen. Aber auch zum Mond oder sogar zum Mars lässt es sich an dieser Station auf die Art reisen.
Es folgen die bereits eingangs teilweise beschriebenen sechs Gänge, die unterschiedliche Lebenswege mit ihren Überraschungen, Hindernissen und Glücksmomenten symbolisieren. Das Thema Nachhaltigkeit behandelt die Station „Blue Jean City“, an der die Kinder aus gebrauchten Jeans neue Objekte basteln können, die in eine Art Stoffskulptur eingebaut werden: „Das Tolle an den ZOOM-Ausstellungen ist, dass immer auch ein künstlerischer Aspekt enthalten ist“, schwärmt Museumschefin Julia Schlager von der Kooperation mit dem Wiener Kindermuseum, das seinerseits auch stets mit Künstlern zusammenarbeitet. So hat für diese Ausstellung das Architekturkollektiv AKT die szenische Umsetzung der Stationen erdacht, um das Thema Zukunft begehbar und im Sinn des Wortes auch begreifbar zu machen.
Auch „grüne Inseln“ fehlen nicht bei dieser Zukunftsvision. In einem Mini-Gewächshaus vereinen sich in zwei „Roboterpflanzen“ Natur und moderne Technik, und bei einer weiteren Station, an der die Kinder mit Algenfarben malen können, geht es um Pflanzen als Rohstoff. Das Thema Zusammenhalt und Teamarbeit wird spielerisch an der „Rhythmusmaschine“ bearbeitet. Hier geht es darum, bunte Bälle in der richtigen Reihenfolge einzuwerfen – eine Aufgabe, an der man allein scheitert, die sich im Team aber höchst unterhaltsam als Reaktions- und Geschicklichkeitsübung meistern lässt.
Abschließend können die Kinder ihre Vorstellung davon zeichnen oder niederschreiben, wie ihr Leben im Jahr 2050 aussehen wird – wie sie wohnen oder sich fortbewegen werden, aber auch, welchen Beruf sie einmal ausüben könnten. Das kommt in ein Kuvert, das wie eine Zeitkapsel erst in 25 Jahren geöffnet werden darf und dann gewiss für den einen oder anderen kräftigen Lacher sorgen wird. Gelacht werden darf auch an der Wand, an der als Hörstation mit durchaus ernstem Hintergrund auf den ersten Blick witzige Zukunftsberufe wie Quallendompteur:in, Polar- oder Gletschereismacher:in oder Hitzebändiger:in skizziert werden.
Die Kinder selbst haben hingegen noch sehr gegenwärtige Zukunftsvorstellungen, wie der Wand zu entnehmen ist, auf die sie ihre Wünsche mit Zetteln geklebt haben. Tierärztin ist da zum Beispiel zu lesen. Oder, ganz herzig, in Volksschülerschrift die Botschaft: „Ich will ein Rapper werden.“ In Erwachsenenschrift wurde auf diesem Zettel zum Rapper erfolgreicher dazugekritzelt. Und da möchte dann doch auch der Autor dieser Zeilen zum Thema „Was wird morgen sein?“ seinen ganz persönlichen Wunsch hinkritzeln: dass sich Eltern nicht in die Träume ihrer Kinder einmischen. Die sind nämlich im Original und unberührt am schönsten.