Knurrhahn und Oxnfetzn
Aus dem „Edelfisch“ wurde das „Reef & Beef“. Im März 2019 zog Piri Weiss mit ihrem Lokal in den Stand 1 auf dem Marienmarkt ein. Seitdem dreht sich dort alles um Fisch, Meeresfrüchte und Rindfleisch.
„Es war einmal …“: Mit diesen Worten fangen zahlreiche Märchen an. Auch diese Geschichte wollen wir so beginnen, weil sie das Zeug zu einem Märchen hat. Es war einmal eine junge Frau. Sie hieß Piri und stammte aus der Nähe des westungarischen Kurortes Bük. Im Alter von 27 kam sie nach Österreich, wo sie am Muttertag des Jahres 1995 eine Stelle als Kellnerin in einem Restaurant am Neusiedler See antrat. Es folgten weitere berufliche Stationen in Pottendorf, Wiener Neudorf und Guntramsdorf. Wir springen nach vor ins Jahr 2017: Piri Weiss – sie hatte in der Zwischenzeit geheiratet und den Nachnamen Weiss angenommen – begann im Service des neu eröffneten Lokals „Edelfisch“ auf dem Marienmarkt.
Zwei Jahre lang war sie die gute Seele des Fischrestaurants, ehe sich der Besitzer aus dem Betrieb zurückzog. Nun wagte sie den großen Schritt und setzte den Traum vom eigenen Lokal in die Tat um. „Die Idee, mich selbständig zu machen, hatte ich schon lange“, erinnert sich Piri Weiss. „Das Edelfisch war klein und überschaubar. Das war für mich entscheidend.“ Im März 2019 eröffnete sie ihr Restaurant – unter anderem Namen und mit frischem Interieur. Sie änderte die Dekoration, ließ einen neuen Boden verlegen und die Beleuchtung austauschen. Eine weitere, nötige Veränderung: Eine Glasschiebetür trennte nun den Speiseraum von der Küche. „Reef & Beef“ hieß das Lokal fortan. Reef ist das englische Wort für Riff, Beef für Rind. Riff und Rind – und genau darum geht’s in dem Restaurant: Meeresfrüchte und Fisch treffen auf Rindfleisch.
„Du siehst, wie schön das Leben vor einem reich gedeckten Tisch ist“, wird der griechische Dichter und Dramatiker Euripides auf der Speisekarte zitiert. Auf dieser findet sich ein Consommé von Edelfischen als Vorspeise oder zum Hauptgang ein Bachsaibling mit gegrillten Kürbisspalten oder frischem Blattspinat. Wer „Oxnfetzn“ bestellt, bekommt zarte Rinderfiletspitzen serviert. Der Klassiker auf der Karte ist das „Reef & Beef“, eine Beiriedschnitte mit marinierter Riesengarnele vom Grill, samt Rosmarinerdäpfeln und Chili-Ingwer-Zitronenbutter. Ganze Fische filetiert Piri Weiss auf Wunsch auf dem Tisch der Gäste. Überhaupt kann man bei ihr so ziemlich alles auch im Voraus bestellen – von Austern und Oktopus bis hin zum Knurrhahn, einem „ziemlich hässlichen“, aber sehr aromatischen, leicht süßlich schmeckenden Meeresfisch. „Viele Stammgäste schauen gar nicht in die Karte, sie fragen einfach nach dem Tagesangebot.“
Heimischen Süßwasserfisch – Saibling, Lachsforelle oder Karpfen – bezieht die 55-jährige Gastronomin vom nahen Gut Dornau in Leobersdorf. Alles andere kommt aus dem Meer rund um Italien, Kroatien und Griechenland. Das Rind wuchs in den heimischen Tauern auf. „Ich gehe selbst auf den Markt einkaufen. Bei mir kommen nur die frischesten Produkte auf den Teller“, erklärt Piri Weiss. Da versteht es sich von selbst, dass im „Reef & Beef“ auch keine fertigen Saucen oder Dressings verwendet werden. Im Sommer kommen zu den acht Tischen im Gastraum noch 60 Plätze im Freien dazu.
Dann trifft man sich schon vormittags im „Reef & Beef“ und lässt sich Brötchen oder Canapés mit Prosecco oder Wein schmecken. Die kleinen Appetithäppchen sind mit saisonalen Schmankerln wie Spargel, Steinpilzen, Trüffel oder Erdbeeren versehen. Das täglich frische Tagesgericht erfährt man auf der schwarzen Tafel vor dem Eingang – immer Fisch und immer um 12,90 Euro.
„Der Preis hat sich seit fünf Jahren nicht verändert“, sagt Piri Weiss nicht ohne Stolz. Ein Renner an lauen Sommerabenden sind Salate und kalte Vorspeisen. Dann serviert die Gastgeberin Lachs- und Thunfisch-Tatar mit Spargel oder einen warmen Avocadosalat mit gegrillten Flusskrebsen. Sie schenkt den Gästen noch ein Glaserl nach. Und hofft, dass ihr Märchen noch möglichst lange andauern mag.