Von Apfel bis Zucchini
Er begann als Hilfskraft und ist heute sein eigener Chef.
Seit drei Jahrzehnten steht Piotr Szpak auf dem Hauptplatz und verkauft Obst und Gemüse. Besonderes Augenmerk legt er auf Ware aus heimischem Anbau. Dafür setzt er sich auch nachts um halb zwei ins Auto.
Seinen richtigen Namen kennen nur wenige. Und das, obwohl er Wiener Neustadts Bevölkerung seit mehr als dreißig Jahren mit Obst und Gemüse – von Apfel bis Zucchini – versorgt. Für seine Kunden ist er nur der „Herr Jakob“. „Herr Jakob, was kostet das Sauerkraut?“; „Herr Jakob, geben S’ mir bitte ein halbes Kilo Käferbohnen!“ Obst-Gemüse Jakob prangt auch auf dem Geschäft am Marienmarkt. Doch Jakob hieß sein Vorgänger, der den Laden in früheren Jahren führte. Unser Mann heißt Piotr. Piotr Szpak.
Piotr ist die polnische Form von Peter. Als Zwanzigjähriger reiste er 1990, kurz nach der Wende in Osteuropa, nach Österreich. Er kam als Tourist – und wusste bald, dass er nicht nach Polen zurückkehren wollte. Da traf es sich gut, dass er am Markt in Wiener Neustadt einen polnischen Landsmann kennenlernte. Dessen Name: Jakob. Der betrieb einen Obst- und Gemüsestand und suchte eine tüchtige Arbeitskraft. Fortan entlud, schleppte, sortierte und putzte Piotr Szpak die Ware, baute morgens den mobilen Verkaufsstand auf und abends wieder ab.
Jahre zogen ins Land. Jakob ging, dessen Ex-Frau übernahm, der Geschäftsname blieb. Seit 2015 ist Piotr Szpak der Chef im Obst- und Gemüseladen. Im Jahr 2017 ließ die Stadt den Hauptplatz umgestalten und bei der Mariensäule elf fixe Marktstände errichten. „Eine tolle Idee! Ich habe mich sofort um einen Platz beworben“, sagt Piotr Szpak begeistert. Den Stand bekam er auch. „Jetzt habe ich endlich mehr Platz, warmes Wasser, im Winter eine Heizung und eine Kühlung für den Sommer.“ Annehmlichkeiten, die der heute 52-Jährige zu schätzen weiß. „Nach dreißig Jahren auf dem Markt tun mir alle Knochen weh.“ Der letzte Urlaub? Ist drei Jahrzehnte her.
Und dennoch: Einen anderen Beruf kann und will sich Piotr Szpak nicht vorstellen. Er berät, erklärt, verkauft. Und beliefert auch Büros und Restaurants in der Gegend. Tatkräftig unterstützt von Mitarbeiterin Zoë Czwaczek, 20. „Es steckt viel Arbeit dahinter, aber es macht mir Spaß, mit Menschen zu tun zu haben“, sagt er. Dem Mann, dessen Hund an Magenproblemen leidet, schenkt er drei Zucchini. „Kochen, schälen, pürieren Sie die Zucchini, dann ins Hundefutter mischen“, rät er. Zwei Mal pro Woche, immer dienstags und donnerstags, setzt er sich nachts um halb zwei in sein Auto und fährt zum Großmarkt nach Inzersdorf. Dort treffen sich bäuerliche Produzenten aus Wien, dem Burgenland und dem Marchfeld. „Ich kaufe seit vielen Jahren immer bei denselben Landwirten“, berichtet er. „Das Vertrauen ist da, und ich weiß, dass die Ware gut ist.“
Und so stapeln sich zehn heimische Apfelsorten vor seinem Marktstand; die Erdbeeren und Kirschen stammen aus dem burgenländischen Ort Wiesen, die Steinpilze aus Kärnten, und die Heidelbeeren, Himbeeren und Eierschwammerl kommen aus der Steiermark. „Die handgepflückten Beeren sind der absolute Renner im Sommer“, sagt er. Ganzjährig beliebt sind die Gemüsemischungen, die – geschnitten und geschält – fix und fertig im Kühlschrank lagern, etwa Letscho oder Wurzelgemüse mit Karfiol. „Meine Kunden ersparen sich dadurch viel Abfall und viel Zeit.“ Und wer weiß, vielleicht steht doch irgendwann einmal Obst-Gemüse Piotr auf dem Schild seines Marktstandes.