Leise rieselt der Tee

Das Teehaus Indolero in der Böheimgasse.

Es begann einst mit einem Inserat zur Neuübernahme des Wiener Neustädter Indolero. Heute hat Barbara Neumann-Schramböck 120 Teesorten in ihrem Sortiment.

Gerade in der kalten Jahreszeit hat Tee Hochsaison. In Barbara Neumann-Schramböcks kleinem Teehaus Indolero dreht sich seit 17 Jahren alles um heilsamen Lapachotee, schwarzen Ostfriesentee und auch Hexenblut.

Sechs Stufen. Es sind nur sechs steinerne Stufen, die von der Böheimgasse hinauf in das Teehaus Indolero führen. Und doch sind sie wie eine Pforte in eine andere Welt, fernab des Getümmels am nahen Hauptplatz. Das kleine Geschäft besteht aus zwei Räumen. Rechter Hand befindet sich die Teestube mit zwei alten schwarzen Ledercouchen unter Fotos aus Thailand. Bei leiser Jazzmusik kann man hier gemütlich all jene Teesorten probieren, die es nebenan im Verkaufsraum zu bestaunen gibt. Dort empfängt den Besucher ein Potpourri an Gerüchen. Mit jedem Atemzug senkt sich der Pulsschlag. Nicht weniger als 120 Teesorten und Teemischungen aus aller Herren Länder werden wie ein Schatz in Riechgläsern gehütet.

Hier lagert Schwarztee aus Georgien, da indischer Mangotee, dort türkischer Apfeltee und drüben Tee aus sizilianischer Blutorange. „Das Faszinierende ist dieser enorme Aromenreichtum“, sagt Barbara Neumann-Schramböck, 44, Inhaberin des Indolero. Neben hochwertigem Tee ist auch das richtige Zubehör und Geschirr essenziell für eine perfekte Tasse Tee. Und so zieren Kannen aus Bali, Tassen aus Japan und Matetee-Trinkkürbisse aus Südamerika die Regale.

Den Wunsch, einmal einen Teeladen zu führen, verspürte die gebürtige Wienerin bereits als 16-Jährige. Damals reiste sie durch Osteuropa und lernte die Tradition und besondere Atmosphäre von Teehäusern lieben. „Es ist diese Ruhe, diese Kühle, diese Dunkelheit“, schwärmt sie. Nach einem Pädagogik-Studium stieß sie zufällig auf ein Inserat, wonach in Wiener Neustadt ein Teeladen zur Neuübernahme freistünde.

Die damals Mitte-20-Jährige wagte den Schritt und übernahm das Lokal, dessen Namen und die Einrichtung. „Und das ohne Vorkenntnisse – dafür mit viel Idealismus und Naivität“, wie Barbara Neumann-Schramböck betont. 17 Jahre ist das nun her. „Reich geworden bin ich nicht“, sagt sie rückblickend, „aber mit viel Sturheit und Hartnäckigkeit habe ich alle wirtschaftlichen Krisen überlebt.“ Herzstück ihres kleinen Geschäfts ist die Abfüllmaschine aus dem Jahr 1961. Durch diese lässt Barbara Neumann-Schramböck den Tee in goldene Packungen rieseln. Verkaufsschlager ist das „Hexenblut“ aus Holunder, Erdbeere, Himbeere, Hibiskus und Weinbeere. Auf Wunsch mischt sie für verkühlte Kundschaft auch händisch Kräuter zu einem Tee zusammen. Bei Husten empfiehlt die Expertin eine Mischung aus Käsepappel, Hagebutte, Lavendelblüte und Lapacho. Der Lapacho-Baum wächst in Südamerikas Regenwäldern. Aus seiner Rinde wird der immunstärkende und entzündungshemmende Tee gewonnen, den schon die Inka zur Linderung tranken. „Ich schätze die Vielfalt und die ehrliche Beratung“, sagt der junge Mann, der eben das Geschäft betreten hat.

Er ist seit Jahren Stammkunde im Indolero. An diesem Tag sucht er ein Geschenk für einen 92-jährigen Freund, der jeden Morgen eine Tasse Schwarztee mit Milch trinkt. Barbara Neumann-Schramböck empfiehlt Ostfriesentee, eine Mischung aus mehreren Schwarzteesorten. „Der harmoniert am besten mit Milch.“ Und dann … sechs Stufen. Es sind nur sechs Stufen hinunter, und man ist wieder zurück in der hektischen Betriebsamkeit der Stadt.