Majestätische Mission

Zeitreise durch Wiener Neustadt, wo Maria Theresia tiefe Spuren hinterlassen hat.

Eine Studentin verkleidet sich als Monarchin, führt durch die Innenstadt und erzählt von Kindheit, Familie, Leben und Wirken der Habsburgerin – und vom Alltag im 18. Jahrhundert.

So manch ein Besucher reibt sich beim Anblick der barock gekleideten Dame verwundert die Augen. „Ist das nicht …?“ „Das ist doch …!“ Ja, es ist die junge Maria Theresia, die in blauem Kleid, mit Schirm und weißblonder Perücke durch die Gassen von Wiener Neustadt schreitet. Seit Juni 2022 schlüpft Ines Guth in den Rock und die Rolle von Habsburgs mächtigster Frau. „Maria Theresia, Erbin und Reformerin“, nennt sich die 75-minütige Kostümführung, die vom Museum St. Peter an der Sperr über ausgewählte Orte zur MilAk führt. „Es macht Spaß, ist aber vor allem an heißen Sommertagen sehr anstrengend“, sagt Ines Guth, die Archäologie studiert. Bis zu 30 Minuten benötigt die 21-Jährige, um sich in das enge Kleid, das man von hinten schnüren muss, zu quälen. Zu Beginn berichtet Ines Guth von der Kindheit Maria Theresias. Diese war im Jahr 1717 in Wien zur Welt gekommen. Sie war in jungen Jahren sehr impulsiv und lebenslustig.

Schon als junges Mädchen begleitete sie ihren Vater Karl VI. zur Jagd am Steinfeld. Im Lilienfelder Hof, der nächsten Station, war im 18. Jahrhundert die Schule der Stadt beheimatet. Hier erzählt die Studentin über das Bildungssystem der damaligen Zeit. Als Monarchin führte Maria Theresia in Österreich die allgemeine Schulpflicht ein. Sie selbst hatte Fremdsprachen, tanzen, singen, musizieren, Briefe schreiben und Konversation führen gelernt. All das musste eine Dame am Wiener Hof beherrschen.

„Was sie nicht gelernt hatte, war, ein Reich zu verwalten, Reformen umzusetzen und auch Kriege zu führen, um den Herrschaftsanspruch zu wahren“, weiß Ines Guth. Weiter geht es zum Dom. Nun erfährt man von der „frommen“ Habsburgerin, die für Mariazell stiftete und gegen den Aberglauben im 18. Jahrhundert wetterte. Sie ließ die Todesstrafe abschaffen – aber nicht die Folter. Vor dem sogenannten Brauttor – die Menschen heirateten früher vor der Kirche – erinnert sich Ines Guth alias Maria Theresia an ihre Hochzeit mit Franz Stephan von Lothringen. Sie lernten einander schon als Kinder kennen, und es soll Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. „In Wahrheit spielte bei der Partnerwahl natürlich eine große Portion dynastischer Politik mit.“

Auf dem Weg zum Hauptplatz machen Touristen Fotos, ein kleines Mädchen fragt: „Bist du eine richtige Kaiserin?“ Kaiserin war Maria Theresia tatsächlich keine. Ihr Mann wurde 1745 zum Kaiser gekrönt. Sie selbst war Königin von Böhmen und Ungarn und Erzherzogin von Österreich. In dieser Funktion kam es auch zum Streit mit Wiener Neustadt: Die Regentin wollte der Stadt alte Steuerprivilegien aberkennen, die Stadt wehrte sich lange. Erst als Maria Theresia hohe Strafen androhte, musste Wiener Neustadt klein beigeben.

Im Sparkassensaal, der nächsten Station, war einst das Jesuitenkloster beheimatet. Jesuiten waren die Beichtväter am Hof in Wien. Maria Theresia machte sich stets Sorgen über die Moral in der Bevölkerung. Sie ließ Bücher und Zeitungen streng zensurieren und sogar Tanzveranstaltungen kontrollieren. Dass ihr Sohn und Nachfolger Joseph II. mit Ausnahme von zwei Stiften sämtliche Klöster in Wiener Neustadt auflöste, sollte sie zum Glück nicht mehr erleben.

Nächster Stopp: die MilAk. 1751 hatte Maria Theresia die Errichtung der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt angeordnet. Die Burg war damals beinahe unbewohnt und bot ausreichend Platz für Ausbildner und Kadetten. „Mach er mir tüchtige Officirs und rechtschaffene Männer daraus“, lautete Maria Theresias Auftrag an den Grafen Daun, den ersten Kommandanten. Seit damals ist die Militärakademie ein enormer wirtschaftlicher Motor für die Stadt. Die Tour endet beim Stift Neukloster. Hier bettete die Monarchin nachts ihr Haupt, wenn sie in den Wiesen und Wäldern des heutigen Akademieparks jagen gegangen war.

Maria Theresia regierte bis zu ihrem Tod 1780, insgesamt vierzig Jahre lang. Ines Guth indessen gibt bereits nach einem Jahr als Maria Theresia das Zepter ab; ab Mai schlüpft eine andere Darstellerin in die Rolle von Habsburgs mächtigster Frau.