Über den Wolken
... muss die Neugier wohl grenzenlos sein.
Für die Menschen aus Wiener Neustadt ist die Rax Hausberg, Wanderziel und Erholungsraum. Für den Naturfotografen Bernhard Schubert ist der Ausfug Richtung Gipfel vor allem eine Zeit der Begegnung.
Der Weg ist Wanderern gut bekannt. Vom Gebirgspass Preiner Gscheid macht sich Naturfotograf Bernhard Schubert in den frühen Morgenstunden auf zum Gipfel der Rax. Vorbei am Waxriegelhaus, den Schlangenweg entlang bis zum Karl-Ludwig-Haus und weiter zur Heukuppe auf 2.007 Metern. Der Aufstieg dauert drei Stunden, länger als sportliche Bergsteiger benötigen. Das liegt allerdings nicht nur daran, dass er neben einem Selbstversorger-Equipment für längere Ausflüge auch eine Fotoausrüstung (eine Kamera und mehrere Objektive) trägt. Sondern vor allem daran, dass er diese zwischenzeitlich auch immer wieder zum Einsatz bringt.
Die Mission ist klar: über den Wolken mit geschultem und professionellem Auge Ausschau halten nach Tieren und anderen natürlichen Phänomenen. Und wer weiß, wonach er sucht und wie er sich respektvoll auf die Pirsch begibt, wird auch belohnt – mit einer Sinfonie in WIR-Dur. Die Frage ist nur: Gelingt dem Fotojäger eine lang ersehnte Premiere? Macht er endlich sein erstes Bild von einem ruhenden Schneehuhn? Auflösung folgt…
SONNENBAD
Knapp unterhalb des Gipfels stehen die Gämsen. Ob sie die prachtvolle Aussicht genießen, darf eher bezweifelt werden. Vielmehr suchen die Wildtiere die Vormittagssonne und tanken Wärme. Bis auf fünfzig Meter hat sich der Fotograf an sie herangewagt. Er sagt: „Man sollte sehr langsam gehen, in leichtem Zickzack und nicht zu aufrecht.“ Dann nämlich registrieren sie den Fremdling zwar, empfinden ihn aber nicht als Bedrohung
AUGENHÖHE
Das Gamskitz folgt der Mutter, hört dann plötzlich ganz in der Nähe ein Geräusch, bleibt stehen und sucht geradezu den Blickkontakt mit Bernhard. Der hockt zu diesem Zeitpunkt keine dreißig Meter entfernt auf dem Boden, zoomt mit dem 500-Millimeter-Objektiv ins Gesicht des Tieres und macht das Porträt fürs Rax-Album. „Was mir gefällt“, sagt er, „ist, dass man schon die zentimetergroßen Hörndln sieht, es sieht aus wie ein freches Teufelchen.“
LEBENSZEICHEN
Schön ist es, wenn man für ein so opulentes Bild nix arrangieren muss. Die Natur ist der beste Regisseur. Die Latschenspitzen bahnen sich, wie es scheint, fast schon behutsam ihren Weg durch die Schneedecke, das gelbgrüne Farbenspiel der Triebe ergibt einen sehenswerten Kontrast zum Weiß.
BROTZEIT
Die Alpendohle ist vieles, aber nicht verschreckt. Wer als Allesfresser auf dem nahen Felsen Platz nimmt, um das Terrain zu sondieren, verfügt also auch als Jäger und Bröselsammler über eine natürliche Neugier und Forschheit. „Sie hat fast ein bisserl gebettelt“, erzählt Bernhard.
FLECKERLTEPPICH
Bernhards Faible für immer wiederkehrende Strukturen („Das zieht sich durch meine gesamte Arbeit“) wird auch an diesem Ort belohnt. Von der Rax aus entdeckt er gegen Süden die Felswände der benachbarten Schneealpe und freut sich an der besonderen Ästhetik der Jahreszeitenwende.
STEIGFLUG
Und wenn die Alpendohle irgendwann genug vom Tête-à-Tête mit dem Fotografen hat, lässt sie sich laut pfeifend vom Wind davontragen. Dabei fliegt sie besonders gerne entlang der Steilwände empor, weil sich zwischen den Felsspalten verlässlich g’schmackige Insekten verstecken.
WEISSRAUM I
mmer schon wollte Bernhard ein Schneehuhn fotografieren, nie ist es ihm gelungen. Bis zu diesem Jahr. Er ist gerade auf dem Weg ins Tal, da sitzt das Männchen, wenige Meter entfernt, unbeeindruckt zwischen den Latschen, auf die eigene Tarnung vertrauend. Als hätte es dem Naturfotografen das Glück vergönnt.
Naturfotograf BERNHARD SCHUBERT…
… ist 31 Jahre alt und studierte Zoologie an der Uni Wien. Derzeit schreibt der Wiener Neustädter an der BOKU seine Masterarbeit über Fledermaus-Rufe. Seit 2017 widmet er sich professionell seiner Leidenschaft, der Naturfotografie. Sein Stolz: die Auszeichnung als „Wildlife Photographer of the Year“ durch das National History Museum London beim bedeutendsten Fotowettbewerb der Welt.
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