Vogel-Perspektiven

Die Tage werden immer kürzer, und das Licht verändert sich. Henri de Toulouse-Lautrec schrieb einst: „Der Herbst ist der Frühling des Winters.“ Und mit diesem sinnlich-schönen Gedanken mag auch Fotograf Bernhard Schubert in die Natur aufgebrochen sein – für Bilder einer tief stehenden Sonne, eines Wasserfalls und vieler Vögel.

REFLEXION

Es war ein kalter Februartag, als Bernhard in der Johannesbachklamm die Kamera zückte. Er entdeckte von oben, dass sich entlang einer Kaskade gerade die ersten Eisskulpturen bildeten, und wollte das Wechselspiel zwischen Fließen und Gefrieren dokumentieren. „Dank einer längeren Belichtungszeit gerät das Wasser in den Hintergrund und wirkt fast abstrakt. Daher leuchtet das Eis richtig raus. Ich finde, das ergibt eine wunderschöne Struktur.“

ATTRAKTION

Wenn sich Spatzen, Meisen oder Kernbeißer auf das (vom Fotografen bereitgestellte) Futter stürzen, !iegen unliebsame Körndl mitunter auf den Boden. Die holt sich mit Freude der Fasan. Während des Aufpickens bleibt er jedoch stets achtsam und hält Ausschau nach Feinden wie Fuchs oder Habicht. Diesen Moment hat Bernhard nach dreistündiger Wartezeit in seinem Tarnzelt in fünf Meter Entfernung eingefangen und dabei die Farbenpracht des Fasanhahns festgehalten.

KOMMUNIKATION

Es wirkt, als würden die zwei Vögel auf ihre Art einander fragen: „Und was genau machst du da?“ In Wahrheit können Kormoran und Graureiher allerdings wohlwollend nebeneinander leben. Und an einem Novemberabend auch den gleichen Baum auf der Insel des Pionierteichs im Akademiepark anfliegen, um dort gemeinsam die nächtliche Stille zu suchen. Das Bild der Silhouetten in der finalen Phase des herbstlichen Sonnenuntergangs entstand im Schutz eines Strauches aus einer Distanz von 50 Metern.

INTENSION

„Die schöne Spiegelung der Wellen zu erfassen ist nur aus der Distanz möglich.“ Umso erfreuter war Bernhard, als er die kleine Krickente sah. Ein einzelnes Männchen, das sich von der Gruppe entfernt hatte und wegen der Auf-und-ab-Bewegung im Wasser gar nicht leicht zu fotografieren war.

REBELLION

Erst bei genauerem Hinsehen offenbart sich die schillernde Pracht des Erpels im Biotop der Schmuckerau. Der Schneefall jedenfalls half dem Fotografen bei der Suche nach Dynamik. Weil sich putzende Enten nämlich fast rebellisch flügelschlagend von den Flocken befreien.

ANIMATION

Die Wintergoldhähnchen gehören zu den kleinsten Vögeln. Ihre Besonderheiten sind das hohe, kaum wahrnehmbare Fiepsen und das animierende Grimassenspiel. Diesen Kerl entdeckte Bernhard nahe dem Neustädter Kanal und sagt: „Aus der Perspektive wirkt er so bezaubernd grumpy.“

„Diese Seeschlange gehört zu den giftigsten der Welt“, erzählt Bernhard Schubert und freut sich, dass er das Glück hatte, eine solche vor die Kamera zu bekommen. Allerdings war er in dieser Mission nicht in Wiener Neustadt und Umgebung unterwegs. Es gibt für Schwimmer also keinen Grund, in der Heimat mulmige Gefühle wegen bedrohlicher Begegnungen zu entwickeln. Nein, der österreichische Beobachter näherte sich im Sommer zwei Wochen lang auf der indonesischen Insel Bali Tieren und Pflanzen. Und er ergänzt: „Die Schlangen gelten allerdings als wenig aggressiv, lassen sich sogar berühren, ohne zu beißen.“ Womit wir auch das spannende Thema „Vertrauensstärke eines Naturfotografen“ besprochen hätten. Bei sich daheim muss sich Bernhard mit solchen Verhaltensweisen nicht beschäftigen. Zu erzählen gibt es über die Charaktere der Tiere aber immer genug. Wie über den Fasan als wachsamen Körndl-Abstauber, das seltene Erscheinen der Krickente oder die Mimik des Wintergoldhähnchens, das zwischen süß und grimmig ein enormes Repertoire besitzt. So oder so, der Herbst ist ins Land gezogen, das Licht hat sich verändert, und das Auf-der-Lauer-Liegen wird zunehmend fordernder. Aber das verraten die imposanten Impressionen nicht.